Absage ans Lernen in den Sommerferien

Urlaub statt Unterricht: Nachhilfe in Form eines ein- oder zweiwöchigen Crash-Kurses in den Sommerferien – dieser SPD-Vorschlag ist abgehakt. Die Sorge, dass dieses an sich gut gemeinte Angebot als Strafe missverstanden werden könnte, war zu groß. Foto: Sudbrock

Presseartikel aus „Die Glocke“ vom 14.06.2021

Redakteur: Nimo Sudbrock

Rietberg (sud) – Ein Sommercamp zum Nachholen von Lernstoff wird in den Ferien es nicht geben. Zwei Gründe waren ausschlaggebend: Zum einen ist es schwierig, ein Konzept auf die Beine zu stellen. Zum anderen besteht die Gefahr, dass die Schüler das Lernangebot als Strafe missverstehen könnten.

Stattdessen hat sich der Ausschuss für Schule und Kita in seiner jüngsten Sitzung darauf verständigt, eine längerfristig ausgelegte Lernförderung anzubieten. Diese soll mindestens ein Halbjahr lang stattfinden, kann bei Bedarf jedoch verlängert werden. Die Konzepterstellung soll gemeinsam mit den Schulen erfolgen. Die Stadtverwaltung wurde beauftragt, für das Zusatzangebot Fördermittel zu akquirieren. Sowohl die Landes- als auch die Bundesregierung haben inzwischen entsprechende Zuschussprogramm aufgelegt oder zumindest angekündigt. Förderfähig sind demnach unter anderem Lerngruppen für jeweils acht bis 15 Schüler aus den Jahrgängen eins bis 13. Als Lehrpersonal kommen nicht nur Pädagogen infrage, sondern auch Studenten oder Schüler aus höheren Klassen.

Kein Patentrezept gegen pandemiebedingte Wissenslücken

Zu den Akten gelegt wurde mit dem einstimmigen Beschluss des Fachausschusses der Antrag der SPD-Fraktion auf Einrichtung eines Sommercamps vom März dieses Jahres (diese Zeitung berichtete). Die Sozialdemokraten hatten sich seinerzeit für die Einrichtung einer etwa zweiwöchigen Sommerschule ausgesprochen, in der Schüler Wissenslücken, die durch den pandemiebedingten Unterrichtsausfall entstanden sind, schließen sollten. In der Zwischenzeit hatten drei Ratsfraktionen mehr oder weniger ausgefeilte Konzepte erarbeitet, wie dieses Lerncamp ausgestaltet werden könnte: außer der SPD auch CDU und FDP.

Urlaub statt Unterricht: Nachhilfe in Form eines ein- oder zweiwöchigen Crash-Kurses in den Sommerferien – dieser SPD-Vorschlag ist abgehakt. Die Sorge, dass dieses an sich gut gemeinte Angebot als Strafe missverstanden werden könnte, war zu groß. Foto: Sudbrock

In der jüngsten Sitzung des Gremiums wurde indes deutlich, dass die im Grundsatz von allen Seiten begrüßte Idee schwierig in der Umsetzung ist. Die Stadtverwaltung verwies auf die Rückmeldung der Rietberger Schulen, wonach ein Crash-Kursus in den Sommerferien unterm Strich weniger bringen werde als ein unterrichtsergänzendes Angebot über den Zeitraum eines halben oder kompletten Unterrichtshalbjahrs.

Wulf: Schüler haben sich Pause verdient

Das Hauptproblem zum gegenwärtigen Zeitpunkt – die Sommerferien beginnen bereits am 5. Juli – sei, dass das Angebot des Sommercamps nach wie vor eher unkonkret sei, sagte Matthias Stolper. Der Leiter des Gymnasiums Nepomucenum betonte, dass die Schüler im Vorfeld genau wissen wollten, worauf sie sich dabei einlassen. „Konkrete Inhalte würden Kindern und Eltern eine Einschätzung, ob eine Teilnahme sinnvoll ist, erleichtern.“

Judith Wulf (FWG) sah die Gefahr, dass ein Lernangebot in den Ferien von vielen jungen Leuten eher als Fluch denn als Segen wahrgenommen werden könnte. „Wir bekommen das Sommercamp nach außen nicht so kommuniziert, dass es nicht als zusätzliche Belastung rüberkommt.“ Die Monate des Distanzunterrichts seien für alle Beteiligten fordernd und mitunter auch zermürbend gewesen, sagte Wulf. Deshalb sei es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen in den bald beginnenden Sommerferien Zeit für Dinge hätten, die ihnen Spaß machen – und das seien vor allem Unternehmungen mit Freunden und Familie.

Verschiebung in die Herbstferien?

Diana Kochtokrax (CDU) sah die Sache ähnlich. Ein Sommercamp mache wenn überhaupt in den Herbstferien mehr Sinn. „Denn dann haben die Schüler die ersten Klassenarbeiten des neuen Halbjahrs zurückerhalten und mit Blick auf die Noten vielleicht selbst festgestellt, dass sie in dem einen oder anderen Fach Nachholbedarf haben.“ Um die Akzeptanz für ein solches Angebot zu erhöhen, sei es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen aus Eigenantrieb lernen wollten.

Eine Lanze für das von der SPD ins Spiel gebrachte Sommercamp brachen hingegen Jonas Borgmeier (Grüne) und Ralph Böwingloh (FDP). Letzterer kritisierte, dass die Stadtverwaltung nicht wie bei der ersten Diskussion im März vereinbart ein Konzept für das Lernangebot in den Ferien erarbeitet und nach möglichen Trägern Ausschuss gehalten habe. Wertvolle Zeit sei vertan worden.

Langfristige Lösung angestrebt

Nachdem das Sommercamp nach dem jüngsten Ausschussbeschluss endgültig vom Tisch ist, richten sich jetzt alle Augen auf die unterrichtsbegleitende Lernförderung, die an allen Schulen, die daran Interesse haben, im kommenden Halbjahr starten soll. Zusätzlich beschlossen wurde auf Vorschlag von Tanja Dresselhaus (FWG), allen Schülern während der sechswöchigen Sommerferien kostenfreien Eintritt in den Gartenschaupark zu gewähren: Damit auch Kinder und Jugendliche, die nicht auf Reisen gehen können, ihre Ferien genießen können.