Presseartikel aus „Neue Westfälische“ vom 16. Mai 2020
Redakteurin: Birgit Vredenburg
Die SPD kritisiert die defensive Handlungsmaxime der Stadt in Sachen Denkmalschutz. Die fußt angeblich auf einen Ratsbeschluss, den es nie gegeben hat.
Rietberg. „Wir müssen umdenken in Sachen Denkmalschutz“ hat Gerd Muhle (SPD) jüngst in der Debatte um eine vorläufige Unterschutzstellung des früheren Hauses Hamschmidt an der Rathausstrße 1 gefordert (die NW berichtete). Bisher sei die Stadt erst dann tätig geworden, wenn ein Eigentümer einen Bauantrag gestellt oder eine Baumaßnahme angestanden habe. „Wir haben dann immer auf die Expertise der LWL Denkmalpflege gewartet, anstatt selber tätig zu werden“, kritisierte Muhle im Bau-, Planungs- und Verkehrsausschuss.
Als Beispiel dafür, „dass wir in letzter Zeit einiges haben lernen müssen“, nannte er das mittlerweile unter Schutz gestellte Pfarrhaus in Rietberg. Auch hier habe erst der LWL auf die Denkmalwürdigkeit hingewiesen und die Stadt so vor einem Fehler bewahrt.

Frank Jungeilges, Leiter der städtischen Abteilung Bauaufsicht und Denkmalpflege, räumte ein, dass Gebäude im Stadtgebiet nur dann auf Denkmalwürdigkeit untersucht werden, „wenn der Eigentümer es möchte“. Er verwies auf einen älteren Ratsbeschluss, der verhindern sollte, dass Hauseigentümern ein Denkmal aufgezwungen werde. „Ob wir diese mit der Politik abgestimmte Handlungsmaxime beibehalten, oder unter Umständen auch gegen die Besitzer handeln, darüber kann man diskutieren“, stellte Jungeilges in Aussicht. Den Ratsbeschluss aber, auf den er sich berief, hat es nie gegeben, wie die städtische Pressestelle auf Nachfrage der NW mitteilt.
Bei der Hofstelle sind der Stadt die Hände gebunden
Wie es laufen kann, wenn ein Haus gegen den Willen des Eigentümers unter Denkmalschutz gestellt wird, macht Jungeilges am Beispiel einer verlassenen Hofstelle am Alten Postweg fest. „Seit Jahrzehnten versuchen wir, den Eigentümer dazu zu bewegen, sich um dieses Objekt zu kümmern und gegebenenfalls zu verkaufen.“ Der Stadt seien hier aber die Hände gebunden. Sie könne den Besitzer nicht verpflichten, die Gebäude neu einzudecken und wieder bewohnbar zu machen. Das Minimum der Handlungsfähigkeit liege in dem Schutz der tragenden Konstruktion gegen Feuchtigkeit, sprich die Plastikfolie auf dem Dach. „Wir kontrollieren regelmäßig, ob noch alles geschützt ist oder ob Schäden entstanden sind. Dann schreiben wir den Eigentümer an“, informierte Jungeilges. Heinrich Isenbort (CDU) meinte: „Wenn wir so einen Fall in der Stadt Rietberg haben, haben wir wirklich alles falsch gemacht.“

Seit Januar 1996 steht die einst landwirtschaftliche Hofstelle aus dem Jahr 1753 unter Denkmalschutz. Damals ging die Initiative von der Stadt aus. Die Denkmalbehörde kam zu der Einschätzung, dass das „in seinen Strukturen nahezu ursprünglich erhaltene Bauernhaus geeignet ist, eine authentische Vorstellung vom Leben und Arbeiten einer bäuerlichen Familie seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zu vermitteln“ und das an der Erhaltung und Nutzung „aus wissenschaftlichen, insbesondere ortshistorischen und volkskundlichen Gründen!“ ein öffentliches Interesse bestehe.
Im Denkmalschutzgesetz NRW ist festgelegt, dass Denkmäler zu schützen, zu pflegen, sinnvoll zu nutzen und wissentschaftlich zu erforschen sind, wenn Objekte oder Anlagen bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse sind und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen.
Die alte Fleischfabrik ist „erhaltenswert“
Treffen diese Vorraussetzungen auf die einstige Westfälische Fleischwarenfabrik aus dem Jahr 1901 an der Langen Straße 91 in Neuenkirchen zu?
Stadtsprecherin Nina Ackfeld erklärte dazu auf Nachfrage der NW, dass der LWL dieses Gebäude, das nach wie vor auf der städtischen Kulturgutliste steht, im Februar 2018 gründlich untersucht, aber als nicht denkmalwürdig erachtet habe.

Allerdings ist in der Expertise nachzulesen, dass der LWL den Gebäudekomplex „aufgrund seiner Bedeutung für die Geschichte von Neuenkirchen und seiner ortsbildprägenden Qualität zweifelsohne als erhaltenswerte Bausubstanz“ einstuft, die im historischen Gebäudebestand durchaus eine erwähnenswerte Rolle einnehme. Es handele sich um eine der wenigen verbliebenen historischen Produktionsstätten im Rietberger Ortskern. Das Haupthaus lasse heute noch Rückschlüsse auf die Wohnverhältnisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu.
Seiner prägenden Gestaltung könne eine städtebauliche Qualität zugesprochen werden. Gegen eine Eintragung in die Denkmalliste sprechen aus Sicht des LWL jedoch die bestehenden Veränderungen an dem Gebäude.