

Presseartikel aus "Die Glocke" vom 01.September 2015
Von unserem Mitarbeiter Gerd Daub-Dieckhoff
Rietberg (gl). Mit dem Angebot, die Ems zwischen Freibad und Birkendamm neu kennenzulernen, hat die SPD Rietberg am Sonntagnachmittag rund 30 Interessenten angelockt. Die etwa 1500 Meter lange Wasserstrecke, die im gesperrten Bereich des Ems-Radwegs zwischen Wildnis und gepflegter Pappelallee hindurchführte, endete am rauschenden „Wasserfall“, dem Stauwehr.
Die Begeisterung der Teilnehmer, darunter auch Mitglieder des Rats, war groß. Die „Kaffeefahrt“ begann zwischen den beiden Holzbrücken nahe dem Jüddeldamm. Am Bootssteg stand ein Pavillon. Mappen, in denen die Geschichte der Ems-Radweg-Sperrung nachzulesen war, lagen zur Durchsicht parat. SPD-Fraktionsvorsitzender Gerd Muhle, der für die Neuauflage der Diskussion über die Öffnung des Radwegs entlang des Flusses verantwortlich zeichnet, und seine Helfer sparten nicht mit Apfelkuchenangeboten.
Dann drängten die Gäste in acht rote Kanus und es ging los. In jedem Gefährt gab ein Mitglied des Kanuvereins Rietberg Obacht, dass niemand über Bord ging.
Die Fahrt verlief unter der schmalen Brücke, die über die Schlossstraße führt und wurde zum wundersamen Naturerlebnis. Zwischen den beiden nächsten Bücken breitete sich ein romantischer uferbegleitender Gehölzbestand aus, der im Verlauf von über zwei Dekaden Fakten geschaffen hat. Dort befand sich der nun zugewachsene Uferweg. „Und hier muss die Motorsäge ran“, vermerkte ein Besucher praktisch. Wie alle anderen Teilnehmer war er für die Aufhebung der Wegsperrung.
Das an manchen Stellen nur bauchtiefe Fließgewässer offenbarte auf etwa 1600 Metern Länge seine individuelle Schönheit: Die Natur reicht sich an manchen Stellen astübergreifend von Ufer zu Ufer die Hand. Lautlos glitten die Kanus dahin. Gespräche verstummten. Die Teilnehmer genossen eine fast fühlbare Ruhe. Zu allem rauschte ein kühler Wind durch die 35 Meter hohen Gipfel der Pappelallee, die sich im Sonnen-und Schattenspiel bewegten.
Nachtkerzengewächse wie das schmalblättrige Weidenröschen, dazwischen die hellen, blauen Blüten von Vergissmeinnicht, die einen schönen Kontrast zum wuchernden Blutweiderich, dem rosafarbenen Beinwell und den violetten Blütenstauden des Sumpfdosts schufen, waren Farbtupfer der Vegetation – denn die Uferrandstreifen werden seit Jahren nicht mehr von der Kreisverwaltung in Schuss gehalten.
Sperrung begann im Jahr 1987
Rietberg (gdd). Die Ems, von den Westfalen „Iems“ genannt, ist von der Quelle in der Moosheide bei Hövelhof bis zur Mündung bei Emden in die Nordsee 371 Kilometer lang.
Kaum länger ist der Ems-Radweg, der in der Giebelstadt seit längerer Zeit eine Unterbrechung erfährt. 1987 begann die Sperrung, die noch immer von vielen Rietberger Bürgern verurteilt wird. Der Großgrundbesitzerfamilie Tenge-Rietberg, die den Emsweg ihr Privateigentum nennt, gilt seitdem die ganze Aufmerksamkeit.
Unterlagen wie Zeitungsberichte und Aktenauszüge, in denen in den Folgejahren die Öffnung des ehemaligen Wanderweges gefordert wurde, waren am Sonntag in Mappen, die die „Geschichte der Emwegsperrung in sieben Akten“ beleuchteten, zusammengestellt.
Gefragt waren diese Informationen bei allen jenen Bürgern, die sich für die Geschichte und Chronologie der Flussufersperrung im Teilbereich Rietberg, Schloßstraße bis Birkendamm, sichtlich interessierten.
Wunsch nach einer Wiederöffnung
Rietberg (gdd). „Es handelt sich für mich um den schönsten Bereich des ganzen Emsradwegs zwischen Quelle und Mündung“, begeisterte sich Christiane Schneiders von der Rietberger SPD. Sie nahm parteiübergreifend mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Marco Talarico in einem der Kanus Platz. Die Ratsfrau überließ dem kommunalpolitischen Kontrahenten sogar den vorderen Sitzplatz mit der besten Blickrichtung – Talarico sagte mit einem Grinsen: „Ich übernehme das Kommando.“ Schneider konterte: „Pass auf, dass es keinen Schlingerkurs gibt.“
Sozialdemokratin Christiane Schneiders offenbarte sich: „Ich befürworte die Öffnung des Radwegs entlang dieses Teilstückes ohne Wenn und Aber.“ Talarico erklärte nach der Tour: „Diese tolle Ruhe und die wunderschöne Umgebung haben mich sehr bewegt. Ich bin für Gespräche mit Tenge, die Konfrontationen vermeiden. Und natürlich für die Wiederöffnung.“
Ähnlich äußerten sich Rietbergs Ortsvorsteher Engelbert Ottemeier, SPD-Ortsvereinsvorsitzender Jean-Michel Diaz und andere Mitbürger. Besucher der Anlegestelle wie Bürgermeister Andreas Sunder und Vertreter der FWG verzichteten auf die Paddel-und Sightseeing-Aktion der Sozialdemokraten.
In der Chronologie sind der Kampf der Mehrheit der kommunalen Parlamentarier, die Stellungnahmen des Kreises Gütersloh und die emotionalen Reaktionen einiger Politiker nachzulesen. Die damalige Bundestagsabgeordnete Katrin Fuchs erklärte 1988, die Schließung des Emswegs sei ein „Akt von privater Willkür“ und sie würde „am liebsten eine Zange nehmen um die mit Stacheldraht eingezäunte Sperrzone, die an eine Grenze erinnert“, zu beseitigen. Ihr Kollege, der Bundestagsabgeordnete Dr. Ottfried Hennig (CDU) versuchte, zwischen Großgrundbesitzer und Behörden pragmatisch zu vermitteln – die Gespräche verliefen ergebnislos.
1989 setzte eine Ordnungsverfügung mit Androhung von Zwangsgeld, wenn der Weg nicht wieder geöffnet werde, Tenge unter Druck. Doch der widersetzte sich, formaljuristisch erfolgreich. Dass die ganze Diskussion eng mit dem Argument, ein Gestütsbetrieb vertrage keine Ems-Radwegwanderer, verbunden war, weiß fast jeder Rietberger.
Heute gibt es kein Gestüt mehr, die ökologisch bedeutsamen Fischteiche liegen brach. Ein Storchennest auf der Stange wurde jüngst auf dem Teichgelände beseitigt.