
Presseartikel aus "Die Glocke" vom 27. November 2014
Von dem Redaktionsmitglied Nimo Grujic
Rietberg (ng) – Auch wenn Kreis- und Stadtverwaltung es anders sehen: Für die SPD-Fraktion im Rietberger Stadtrat ist die Wiederöffnung des Emswegs noch nicht vom Tisch. Fraktionschef Gerd Muhle hofft, dass sich in der Bauausschusssitzung am Dienstag, 2. Dezember, eine politische Mehrheit für die angestrebte Freigabe der früher sehr beliebten Wanderstrecke findet.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die anderen Ratsfraktionen gegen die Öffnung des Emswegs stimmen werden“, sagte Muhle am Mittwoch gegenüber der „Glocke“. Geärgert hat sich der Sozialdemokrat über die jüngste Stellungnahme der Kreisverwaltung als Untere Landschaftsbehörde zur von seiner Fraktion bereits Anfang September ins Gespräch gebrachten Wiederfreigabe des Spazierwegs. Als „äußerst dürftig“ bewertet der SPD-Ratsherr die Argumentationsweise des Kreises. Die Untere Landschaftsbehörde schlage sich eindeutig auf die Seite des Eigentümers der Flächen, Carl Philipp Lins. Die Gründe, die der Kreis gegen die von den Genossen geforderte Öffnung des Emswegs anführt, seien nicht schlüssig.
SPD ist enttäuscht
Enttäuscht ist Muhle nach eigenem Bekunden auch von der Stadtverwaltung. Die folge schlicht der Empfehlung des Kreises, die Freigabe des Emswegs zwischen dem Gartenschaupark-Teil Süd und dem Birkendamm unweit der Bundesstraße 64 abzulehnen.
Die SPD argumentiert in ihrem Antrag auf Wiederöffnung des Abschnitts insbesondere mit dem nicht mehr vorhandenen Gestüt. Den Schutz seiner hochwertigen Zuchtpferde hatte der damalige Eigentümer des Schlossgeländes, Carl Friedrich Tenge-Rietberg, 1987 ins Feld geführt, als er den Emsweg dichtmachte. „Aber inzwischen gibt es dort keine Pferde mehr, weshalb der Grund für die Schließung nicht mehr existiert“, sagt Gerd Muhle.
Freigabe wäre „unverhältnismäßig“
Das bestätigt auch die Kreisverwaltung: „Die Sperrgenehmigung vom 23. März 1992 ist mit Einstellung des Gestütbetriebs erloschen. Sperrschilder sind vom Eigentümer zu entfernen“, heißt es in der Stellungnahme. Trotzdem kommt die Untere Behörde im Ergebnis zu einem anderen Schluss: Weil 7,9 der 11,8 Kilometer Gesamtgewässerlänge der Ems im Stadtgebiet zumindest einseitig zugänglich seien, sei die SPD-Forderung nach Freigabe der inzwischen zugewachsenen Uferzone in dem besagten Abschnitt „unverhältnismäßig“. Zu Naherholungszwecken könnten etliche andere Uferbereiche der Ems bereits heute genutzt werden.
Muhle lässt Umweltschutz-Argument nicht gelten
Weiter schreibt der Kreis, dass das 1987 abgesperrte Emsweg-Teilstück zwischen Gartenschaupark Süd und Birkendamm unmittelbar an den Naturschutzgebieten „Rietberger Emsniederung“ und „Rietberger Fischteiche“ vorbeiführe. Deshalb sei die Wiederöffnung der Strecke nicht sinnvoll: „Die Naturschutzziele erfordern in diesem Bereich eine Minimierung der erholungsbedingten Störungen.“ SPD-Fraktionschef Gerd Muhle lässt dieses Argument ebenso wenig gelten: „Der Fluss selbst würde als natürliche Barriere zwischen dem Spazierweg und den Schutzzonen dienen.“ Zudem gibt er zu bedenken, dass die zum Gestüt gehörenden Wiesen inzwischen in Ackerflächen umgewandelt worden seien, auf denen Raps- und Mais-Monokulturen angebaut werden, die als „Futter“ für eine Biogasanlage dienen. Muhle: „Wo bleibt da bitte der Umweltschutzgedanke?“
Vertrag regelt Verzicht
Darüber hinaus verweist der Kreis auf den Vertrag, der vor der Ausweisung des Baugebiets „Große Höppe“ zwischen Stadt und Tenge geschlossen wurde. Darin sei der Verzicht auf die Nutzung des Emsweg-Abschnitts festgeschrieben worden. Doch für Gerd Muhle ist auch das nicht haltbar: „Als der Vertrag unterzeichnet wurde, gab es schließlich noch das Gestüt mit den kostbaren Pferden, die nicht von Wanderern gestört werden durften.“
Aus Sicht der SPD stehen die Chancen weiterhin gut, dass der Kreis die Freigabe des Emswegs durchsetzen müsste, wenn er von der Stadt Rietberg dazu aufgefordert werden würde.
Stadt mit Tenge-Erben in Kontakt
Über die Freigabe des Emswegs kann die Stadt nach Angaben ihrer Sprecherin Nina Tiemann nicht selbst entscheiden. Der Kreis Gütersloh sei zuständig. Trotzdem bleibe Bürgermeister Andreas Sunder mit dem Tenge-Erben Carl Philipp Lins im Gespräch. Zwingen könne man den Eigentümer aber wohl nicht, den Weg für Spaziergänger und Radfahrer zu öffnen.
Lins hat dem Kreis am 10. September über seinen Anwalt mitgeteilt, dass er die Freigabe der Uferzonen ablehnt.
Wanderstrecke gehört den Bürgern
Das Herz sagt ja, das Gesetz vielleicht nur „jein“: Tatsache ist, dass die Schließung des Emswegs 1987 ein Aufregerthema war. Denn der damalige Eigentümer Carl Friedrich Tenge-Rietberg hatte den Bürgern über Nacht nicht nur irgendeinen Wanderweg weggenommen, sondern den am meisten frequentierten Uferabschnitt, der obendrein noch einen optimalen Blick auf die Fischteiche bot. Abgesehen von ihren landschaftlichen Reizen ist die Strecke auch von historischer Bedeutung: Dort stand früher das Rietberger Schloss. Dieser Weg gehört – zumindest gefühlt – den Bürgern. Und die müssen schon viel zu lange auf ihn verzichten. (ng)