

Kreis Gütersloh (bvb). "Eine Beruhigungspille" nennt Gerd Muhle, Fraktionsvorsitzender der SPD in Rietberg, das von der Landesregierung in Auftrag gegebene und vom Umwelt- und Wirtschaftsministerium vorgelegte Risikogutachten zur umstrittenen Fracking-Technologie. Sein Appell: "Wir dürfen in unserem Druck nicht nachlassen." Bei einer Informationsveranstaltung der Kreis-SPD in Bokel hatte der Geologe Martin Böddeker von der Gelsenwasser AG in Bezug auf die Kernaussagen des Gutachtens erklärt: "Fracking soll nicht grundsätzlich verboten werden, stattdessen werden strengere Auflagen empfohlen".
Zwar rate das Gutachten von flächendeckendem Fracking ab, ein ausdrückliches Verbot sei aber nur in Trinkwasserschutzgebieten vorgesehen. Insgesamt komme das Gutachten zwar zu dem Ergebnis "einer möglichen Gefährdung" des Grundwassers, hier mangele es aber an wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen. Unsicherheiten gebe es zudem hinsichtlich der Entsorgung des Flowbacks.
In der Umweltministerkonferenz im Juni 2012 hätten sich sieben Bundesländer, darunter auch NRW, für ein Moratorium ausgesprochen, die Bohrungen vorerst auszusetzen. "Man ist der Ansicht, dass Änderungsbedarf besteht bei den gesetzlichen Anforderungen", so Böddeker. Das Gutachten verlange, das Gesetz über das Bergrecht um Umweltverträglichkeitsprüfungen, Öffentlichkeitsbeteiligungen, wasserrechtliche Prüfungen, sowie Genehmigungen durch die Umweltbehörde (nicht die Wirtschaftsbehörde), zu ergänzen.
Als Risiken beim Fracking nannte Böddeker den Chemikalieneinsatz (im Mittel 45 Tonnen pro Bohrung) und die Bohrdichte (bis zu sechs Bohrungen pro Quadratkilometer), sowie das hohe Transportaufkommen (An- und Abfahrt für Zusatzstoffe, Abwasser, Abfälle, Ausrüstung). Unfälle am Bohrplatz (Brände, Gas- und Chemieaustritt) seien ebenso wenig auszuschließen wie unkontrollierter Gasaustritt an der Oberfläche.
Der Wasserverbrauch liege bei bis zu 15.000 Kubikmetern pro Bohrung. Die Deckschichten des Bodens würden zerstört. Erdbeben seien nicht auszuschließen. Laut Böddeker werden in Deutschland Gasressourcen zwischen 700 bis 2.300 Mrd. Kubikmeter vermutet. Im Vergleich dazu betrage der Jahresverbrauch etwa 100 Mrd. Kubikmeter. Georg Fortmeier (MdL), Mitglied des Wirtschaftsausschusses bezeichnete dies als eine große Spannbreite, mit der die Gasversorgung sieben bis 23 Jahre sicher gestellt sei und verwies auf die Notwendigkeit, in Zeiten der Energiewende Alternativen zu prüfen. Er betonte aber: "Das Trinkwasser darf nicht gefährdet werden". Ein generelles Nein forderte Fortmeier jedoch nicht. Nur soviel: "In Trinkwassergebieten oder in Bereichen alter Zechen sollte Fracking grundsätzlich verboten werden". Außerhalb der genannten Gebiete müsse Bedingung sein, "dass für jeden einzelnen Schritt, wie das Aufsuchen, die Bohrung, sowie die spätere Gewinnung, Genehmigungen erteilt werden müssen".
Info
Reserven
Das Bergamt in der Bezirksregierung Arnsberg hat in NRW insgesamt 23 Aufsuchungsfelder (60 Prozent der Landesfläche) für die Erkundung und Gewinnung unkonventioneller Erdgas-Lagerstätten ausgewiesen und den Großkonzernen die Genehmigung erteilt, innerhalb von fünf Jahren in den abgesteckten Claims nach Erdgas suchen.
In Frankreich, wo 5.100 Mrd. Kubikmeter Gasvorkommen im Boden vermutet werden, wurde das Verfahren generell verboten.