
Presseartikel aus der "Neuen Westfälischen" vom 21. Juni 2012
VON BIRGIT VREDENBURG
Rietberg. Was für ein Irrweg. Obwohl man stets beteuert hatte, ergebnisoffen diskutieren zu wollen, schaffte es die Gesamtschule als mögliches Schulmodell nicht einmal in die Diskussion, als im November 2010 der Denkprozess um die künftige Gestaltung der Rietberger Schullandschaft in Gang kam. Jetzt hat sich die Schulkommission für die Errichtung einer Gesamtschule ausgesprochen.
Ex-Bürgermeister André Kuper und Christoph Höfer von der Bezirksregierung Detmold hatten in der Sitzung des Schulausschusses im November 2010 betont, dass in Rietberg ausschließlich der Schulversuch Gemeinschaftsschule, die Verbundschule, oder der Fortbestand der Hauptschule an zwei Standorten realisierbar sei.
Letztlich setzten CDU und FDP mit Stimmenmehrheit den Fortbestand der Hauptschule als Profilschule durch. Die Anmeldezahlen zum Schuljahr 2012/13 belegen das daraus entstandene Desaster für Kinder und Eltern. 58 der insgesamt 324 Viertklässler haben sich zum Schuljahr 2012/13 zu weiterführenden Schulen in den Nachbarkommunen angemeldet (ab 2009 waren es 46, 40 und 37 Schüler). „Das sind zwei ganze Eingangsklassen“, verdeutlichte Jürgen Don (FWG) jetzt im jüngsten Schulausschuss.
Und: „Diese Tendenz war vorhersehbar. CDU, FDP und Verwaltung wollten diese Fakten nicht sehen. Sie setzten auf eine Schulform, die von den Eltern nicht mehr gewünscht wurde“. FWG, SPD und Grüne begrüßten deshalb ausdrücklich den von der Arbeitsgruppe Schule gefassten Empfehlungsbeschluss zur Errichtung einer Gesamtschule neben dem Gymnasium. Inzwischen hat ein Umdenkungsprozess bei CDU und Verwaltung stattgefunden, den Günter Höppner (CDU) „ganz schlicht und einfach“ so auf den Punkt brachte: „Was interessieren uns die Worte von gestern? Alle sollten wir dazu lernen. Wer früher mal Recht hatte oder nicht, interessiert heute keinen mehr. Es geht nur noch darum, für die Zukunft unserer Kinder die beste Lösung zu finden“.
Bärbel Diekhans (CDU) erklärte: „Wir schließen uns der Empfehlung der Arbeitsgruppe Schule an, in Rietberg auf ein Zweisäulen-System umzustellen“. Auch die Bezirksregierung Detmold habe die Einrichtung einer Gesamtschule zusätzlich zum Gymnasium empfohlen. Matthias Strotmann (CDU) warf allerdings die Frage auf, wie sinnvoll eine zweite Oberstufe sei und favorisierte, wegen der möglichen Konkurrenzsituation, die Sekundarschule ohne eigene Oberstufe.
Peter Esser, Schulleiter des Gymnasiums, äußerte die Befürchtung, „dass der Konsens der Arbeitsgruppe hier zerredet wird“. Es sei ein hohes Gut, dass persönliche Interessen und Überlegungen hinten angestellt worden seien, um die Frage in den Vordergrund zu stellen, mit welchem Modell auch langfristig möglichst vielen Kindern die bestmögliche Schulform geboten werden könne. Das letzte Wort wird diesmal den Eltern eingeräumt, die nach den Sommerferien zunächst an drei Infoabenden aufgeklärt und anschließend offiziell befragt werden sollen. In einer Sondersitzung des Schul- und Sozialausschusses, sowie des Rates, soll Ende Oktober offiziell über die Errichtung des Zweisäulensystems in Rietberg entschieden werden.
Findet sich eine breite Mehrheit dafür, bedeutet das für Haupt- und Realschule aber nicht, dass sie von heute auf morgen schließen, sondern sie laufen dann nach und nach aus.